Durch Schulschließungen und Distanzlernen hatten viele Kinder den Anschluss verloren. Mit dem Projekt “Lücken schließen” des MGH Nachbarschaftshilfe Taufkirchen konnten Kinder aus benachteiligten Familien in 1:1-Lerntandems persönlich und individuell gefördert werden.
Projektbeschreibung und Ziele
Viele Kinder mussten im Schuljahr 2020/21 große Teile des Unterrichts zu Hause vor dem Computer oder Tablet bestreiten. Nicht immer war dort die Lernumgebung ideal, oft konnten die Eltern nicht umfassend unterstützen bzw. sich eine teure Nachhilfe leisten. Vor allem Kindern, deren Familien nicht Deutsch als Muttersprache haben, fehlte besonders der persönliche Kontakt zu den Lehrer/innen. Die von März 2021 bis Ende Juli 2021 laufende Aktion „Lücken schließen“ des Mehrgenerationenhauses der Nachbarschaftshilfe bot hier schnell und niedrigschwellig Hilfe. Das kostenfreie Angebot richtete sich an Kinder/Jugendliche der 1.-9. Klasse vor allem aus benachteiligten und/oder bildungsfernen Familien. In insgesamt 23 1:1-Lernpatenschaften unterstützten ehrenamtliche Lernpat*innen 1-2 Mal pro Woche individuell in Deutsch, Mathe, einer Fremdsprache, beim Lesen lernen und sogar bei der Vorbereitung auf den Quali-Abschluss der Mittelschule. Dabei war den Organisatoren wichtig, dass vor allem bei den Grundschulkindern ein persönlicher und direkter Kontakt möglich war, um beispielsweise nicht-muttersprachliche Kinder bestmöglich zu unterstützen, aber auch um fehlende soziale Kontakte zu kompensieren und insgesamt zur Chancengleichheit beizutragen. Unter Einhaltung strenger Hygieneauflagen gelang es, auch während der Bundesnotbremse das Förderangebot durchgehend in unseren Räumen anzubieten.
Taufkirchen und vor allem der Ortsteil Am Wald, in dem die Nachbarschaftshilfe ansässig ist, hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Familien mit Migrationshintergrund. Viele dieser Familien sind dem bildungsfernen oder sozial benachteiligten Milieu zuzuschreiben. Die Wohnverhältnisse sind oft beengt, die für den Distanzunterricht nötige technische Infrastruktur häufig nicht oder nur in Ansätzen vorhanden. Hier sind Förderangebote im Bildungsbereich besonders vonnöten, die nicht auf (weitere) digitale Hilfen abzielen, sondern außer Haus und mit direktem persönlichen Kontakt eine optimale Lernumgebung bieten. Damit die entsprechenden Familien erreicht werden konnten, wurde eng mit den ortsansässigen Schulen, der Schulsozialarbeit und den Familien-Beratungsstellen zusammengearbeitet.
Für das zeitlich begrenzte Projekt konnten innerhalb kurzer Zeit 18 vollehrenamtliche Lernpatinnen und -paten gewonnen werden, von denen der überwiegende Teil bisher noch nicht bei der Nachbarschaftshilfe engagiert war. Dabei meldeten sich auch jüngere Menschen, die durch ihre Tätigkeit im Homeoffice oder dem Distanzunterricht an der Uni ihre Zeit flexibler als gewöhnlich einteilen konnten. Das generationenübergreifende Ehrenamtlichen-Team reichte von der 19-jährigen Studentin bis zum über 80-jährigen Rentner. Eine hauptamtliche Mitarbeiterin koordinierte das gesamte Angebot und war jederzeit eine zuverlässige Ansprechpartnerin für Ehrenamtliche sowie die teilnehmenden Familien.
Das Ehrenamtlichen-Team setzte sich etwa zur Hälfte aus Menschen im Ruhestand und zur Hälfte aus Menschen aus anderen Altersgruppen zusammen. Gerade für die älteren Ehrenamtlichen lieferten die Lerntandems mit einem Kind/Jugendlichen eine sinnstiftende Aufgabe, die für viele in der Zeit der Kontaktbeschränkungen auch für ihre eigene psychische Gesundheit wertvoll war. Von der Konstellation „Alt hilft Jung“ profitierten Kinder und Ehrenamtliche gleichermaßen.
Nachhaltige Wirkung & Ergebnis
Das Projekt wurde von den Familien sehr gut angenommen. Alle 23 angemeldeten Kinder wurden in Lerntandems vermittelt. Die Schulen und Institutionen der sozialen Kinder- und Jugendhilfe nahmen die Aktion positiv wahr, wodurch sich deren Bewusstsein für die Angebote der Nachbarschaftshilfe schärfte. Die Resonanz aus der Öffentlichkeit war durchweg positiv. Viele der Kinder/Jugendlichen berichteten stolz über ihre schulischen Erfolge, bis hin zum erfolgreich bestandenen Abschluss der Mittelschule.
Neben der (Schul-)Bildung spielten auch persönliche soziale Kontakte eine große Rolle: Bindungen wurden eingegangen, weitere Bezugspersonen in den Pat/innen gefunden, die nicht nur schulisch unterstützten, sondern auch ein offenes Ohr für die Themen hatten, die die Kinder sonst beschäftigten.
Ein großer Teil der Ehrenamtlichen führt nach Beendigung des Projekts das Engagement fort. Aus der Aktion entstanden die langfristigen Projekte „Lerntandems“ und die kostenlose „Lernwerkstatt für Kids“.
Erfahrungen und Praxistipps
Das Projekt, das sich sicher auch für andere MGHs eignet, wurde sehr schnell auf- und umgesetzt. Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen bereit sind, in einer Krise mit anzupacken. Durch die zeitliche Begrenzung des Projektes konnten neue Ehrenamtliche aus unterschiedlichen Altersgruppen gewonnen werden, die sich für langfristige Projekte nicht gemeldet hätten. Die meisten Menschen wurden auf die Aktion über Berichte in der Presse aufmerksam. Die gesamte Lokalpresse wurde informiert und das Projekt mehrfach im Gemeindeblatt und über unseren Facebook-Account angekündigt. Eine Tageszeitung führte ein Interview mit einem Lerntandem, was für weitere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit sorgte. Die enge Zusammenarbeit mit Schulen, Schulsozialarbeit und Beratungsstellen erwies sich als sehr wertvoll, da so auch die betroffenen bildungsfernen Familien von der Aktion erfuhren. Da die meisten Angebote in der Zeit der Bundesnotbremse nicht stattfinden konnten, standen intern viele Räume zur Verfügung. Die gute Vernetzung mit den anderen Einrichtungen unserer Gemeinde hat so zum guten Gelingen der Aktion deutlich beigetragen. Mit der erfolgreichen Vermittlung so vieler Lerntandems und der Gewinnung neuer Ehrenamtlicher konnten die Ziele sogar übertroffen werden.
Kontakt:
Nachbarschaftshilfe Taufkirchen e.V.
Britta von Baer
T (089) 66 60 91 838
vonbaer@nachbarschaftshilfe-taufkirchen.de
http://www.nachbarschaftshilfe-taufkirchen.de